Oversigt

Goethe über Dante und die Übersetzung der Komödie

Aus "Goethe, Band 12, "Kunst und Literatur", side 339-342." Verlag C. H. Beck München.

"Bei Anerkennung der großen Geistes- und Gemütseigenschaften Dantes werden wir in Würdigung seiner Werke sehr gefördert, wenn wir im Auge behalten, daß gerade zu seiner Zeit, wo auch Giotto lebte, die bildende Kunst in ihrer natürliche Kraft wieder hervortrat. Dieser sinnlich-bildlich bedeutend wirkende Genius beherrschte auch ihn. Er faßte die Gegenstände so deutlich ins Auge seiner Einbildungskraft, daß er sie scharf umrissen wiedergeben konnte; deshalb wir denn das Abstruseste und Seltsamste gleichsam nach der Natur gezeichnet vor uns sehen. Wie ihn denn auch der dritten Reim selten oder niemals geniert, sondern auf eine oder andere Weise seinen Zweck ausführen und seine Gestalten umgrenzen hilft. Der Übersetzer nun ist ihm hierin meist gefolgt, hat sich das Vorgebildete vergegenwärtigt und, was zu dessen Darstellung erforderlich war, in seiner Sprache und seinen Reimen zu leisten gesucht. Bleibt mir dabei etwas zu wünschen übrig, so ist es in diesem Betracht.

Die ganze Anlage des Danteschen Höllenlokals hat etwas Mikromegisches und deshalb Sinneverwirrendes. Von oben herein bis in den tiefsten Abgrund soll man sich Kreis' in Kreisen imaginieren; dieses gibt aber gleich den Begriff eines Amphitheaters, das, ungeheur, wie es sein möchte, uns immer als etwas künstlerisch Beschränktes vor die Einbildungskraft sich hinstellt, indem man ja von oben herein alles bis in die Arena und diese selbst überblickt. Man beschaue das Gemälde des Orcagna, und man wird eine umgekehrte Tafel des Cebes zu sehen glauben. Die Erfindung ist mehr rhetorisch als poetisch, die Einbildungskraft ist aufgeregt, aber nicht befriedigt.

Indem wir aber das Ganze nicht eben rühmen wollen, so werden wir durch den seltsamen Reichtum der einzelnen Lokalitäten überrascht, in Staunen gesetzt, verwirrt und zur Verehrung genötigt. Hier, bei der strengsten und deutlichsten Ausführung der Szenerie, die uns Schritt für Schritt die Aussicht benimmt, gilt das, was ebenmäßig von allen sinnlichen Bedingungen und Beziehungen wie auch von den Personen selbst, deren Strafen und Martern zu rühmen ist. Wir wählen ein Beispiel, und zwar den zwölften Gesang:

"Rauhfelsig war's da, wo wir niederklommen,
Das Steingehäuf' den Augen übergroß;
So wie ihr dieser Tage wahrgenommen
Am Bergsturz diesseits Trento, der den Schoß
Der Etsch verengte, niemand konnte wissen,
Durch Unterwühlung oder Erdenstoß? -
Von Felsenmassen, dem Gebirg entrissen,
Unübersehbar lag der Hang bedeckt,
Fels über Felsen zackig hingeschmissen;
Bei jedem Schritte zaudert' ich erschreckt.

So gingen wir, von Trümmern rings umfaßt,
Auf Trümmern sorglich; schwankend aber wanken
Sie unter meinem Fuß, der neuen Last.
Er sprach darauf: "In düstersten Gedanken
Beschauest du den Felsenschutt, bewacht
Von toller Wut, sie trieb ich in die Schranken;
Allein vernimm: als in der Hölle Nacht
Zum erstenmal so tief ich abgedrungen,
War dieser Fels noch nicht herabgekracht;
Doch kurz vorher, eh' der herabgeschwungen
Vom höchsten Himmel herkam, der dem Dis
Des ersten Kreises große Beut' entrungen,
Erbebte so die grause Finsternis,
Daß ich die Meinung faßte, Liebe zücke
Durch Weltenall und stürz' in mächtigem Riß
Ins alte Chaos neu die Welt zurücke.
Der Fels, der seit dem Anfang fest geruht,
Ging damals hier und anderwärts in Stücke."

Zuvörderst nun muß ich folgendes erklären: Obgleich in meiner Originalausgabe des Dante, Venedig 1739, die Stelle: e per quel bis schiva auch auf den Minotaur gedeutet wird, so bleibt sie mir doch bloß auf das Lokal bezüglich. Der Ort war gebirgig, rauhfelsig (alpestro), aber das ist dem Dichter nicht genug gesagt; das Besondere daran (per quel ch' iv' er' anco) war so schrecklich, daß es Augen und Sinn verwirrte. Daher, um sich und andern nur einigermaßen genugzutun, erwähnt er, nicht sowohl gleichnisweise als zu einem sinnlichen Beispiel, eines Bergsturzes, der wahrscheinlich zu seiner Zeit den Weg von Trento nach Verona versperrt hatte. Dort mochten große Felsenplatten und Trümmerkeile des Urgebirgs noch scharf und frisch übereinander liegen, nicht etwa verwittert, durch Vegetation verbunden und ausgeglichen, sondern so, daß die einzelnen großen Stücke, hebelartig aufruhend, durch irgend einen Fußtritt leicht ins Schwanken zu bringen gewesen. Dieses geschieht denn auch hier, als Dante herabsteigt.

Nun aber will der Dichter jenes Naturphänomen unendlich überbieten; er braucht Christi Höllenfahrt, um nicht allein diesem Sturz, sondern auch noch manchem andern umher in dem Höllenreiche eine hinreichende Ursache zu finden.

Die Wandrer nähern sich nunmehr dem Blutgraben, der bogenartig von einem gleichrunden ebenen Strande umfangen ist, wo Tausende von Kentauren umhersprengen und ihr wildes Wächterwesen treiben. Virgil ist auf der Fläche schon nah genug dem Chiron getreten, aber Dante schwankt noch mit unsicherem Schritt zwischen den Felsen; wir müssen noch einmal dahinsehen, denn der Kentaur spricht zu seinen Gesellen:

"Bemerkt! der hinten kommt, bewegt,
Was er berührt, wie ich es wohl gewahrte,
Und wie's kein Totenfuß zu machen pflegt."

Man frage nun seine Einbildungskraft, ob dieser ungeheure Berg- und Felsensturz im Geiste nicht vollkommen gegenwärtig geworden sei?

In den übrigen Gesängen lassen sich bei veränderter Szene eben ein solches Festhalten und Ausmalen durch Wiederkehr derselben Bedingungen finden und vorweisen. Solche Parallelstellen machen uns mit dem eigentlichsten Dichtergeist Dantes auf den höchsten Grad vertraut.

Der Unterschied des lebendigen Dante und der abgeschiedenen Toten wird auch anderwärts auffallend, wie z. B. die geistigen Bewohner des Reinigungsortes (Purgatorio) vor Dante erschrecken, weil er Schatten wirft, woran sie seine Körperlichkeit erkennen."

Om "Pape Satan, pape Satan aleppe!"
Fra "Benvenuto Cellini" i Goethes oversættelse.

Forhistorien: Benvenuto Cellini har i Frankrig mødt Kong Franz(iscus) den I (1494 - 1547), som viser ham stor venlighed, tildeler ham det franske statsborgerskab, stiller et slot til hans rådighed og bestiller flere kunstværker hos ham.

I sin herskabelige bolig får Cellini en snyltegæst, med hvem han til slut gør kort proces, idet han sætter ham på gaden. Manden lægger sag an mod Cellini, som nu må gøre et personligt bekendtskab med det franske retsvæsen. Han fortæller:

".......... In derselbigen Zeit erregte jener zweite Einwohner, den ich aus meinem Schlosse vertrieben hatte, einen Prozess gegen mich, indem er behauptete, ich habe ihm zu jener Zeit als ich ihn hinauswarf, viele seiner Sachen gestohlen. Dieser Prozess machte mir das größte Leiden und nahm mir soviel Zeit, daß ich mich öfters beinahe der Verzweiflung ergeben hätte und auf und davon gegangen wär'.

Sie haben die Gewohnheit in Frankreich, daß sie einen Prozeß für einen Kapital halten, sie mögen ihn nun mit einem Fremden oder mit einer andern Person anfangen, von der sie merken daß sie nicht ganz mit dem Gang ihrer Rechtstreite bekannt ist. Sobald sie nun sich einigermaßen im Vorteil sehen, finden sie Gelegenheit den Prozess zu verkaufen, ja manchmal hat man sie als Mitgift den Töchtern mitgegeben, wenn sie Männer heirateten, die ein Handwerk daraus machen, Prozesse zu kaufen.

Ferner haben sie noch eine andere häßliche Gewohnheit: der größte Teil der Leute in der Normandie nämlich treibt es als ein Gewerb, daß sie falsch Zeugnis geben, so daß diejenigen, die einen Prozeß kaufen, sogleich vier oder sechs Zeugen, nach Bedürfnis, abrichten. Weiß nun der Gegenteil nicht dasselbe zu thun, indem die Gewohnheit ihm nicht bekannt ist, so hat er gleich ein Urteil gegen sich. Mir begegnete beides, und indem ich die Sache für schändlich hielt, erschien ich in dem großen Saale zu Paris, um meine Gründe selbst vorzubringen. Da sah ich den Richter, einen Zivillieutenant des Königs, erhoben auf einem großen Richterstuhle; dieser Mann war groß, stark und dick, und von dem finstersten Ansehn. Zu seiner einen Seite stand viele Leute, zur andern Prokuratoren und Advokaten, sämtlich in Ordnung, zur Rechten und zur Linken; einige traten auf und brachten ihm eine Sache vor. Die Advokaten, die auf der Seite standen, redeten manchmal alle zusammen, und ich war höchst verwundert, daß dieser seltene Mann, der ein wahrhaft plutonisches Ansehn hatte, mit merklicher Gebärde bald diesem bald jenem zuhörte und gehörig antwortete, und weil ich immer gern alle Arten von Geschicklichkeiten gesehen und genossen habe, so schien mir dieser Mann so wundersam, daß ich für vieles seinen Anblick nicht hingegeben hätte.

Der Saal war sehr groß und voller Menschen, daher war man besorgt, niemanden hereinzulassen, als wer darin zu tun hatte; die Tür war verschlossen und es stand Wache dabei. Nun geschah es manchmal, daß die Wache einigen Personen widerstand, die sie nicht hereinlassen wollte, und durch ihren Lärm dem seltenen Richter beschwerlich ward, welcher äußerst zornig auf die Wache schimpfte. Dieser Fall kam öfters vor, und ich merkte besonders auf die Worte des Richters bei dieser Gelegenheit. Als nun einmal zwei Edelleute bloß als Zuschauer hereindringen wollten, tat ihnen jener Türhüter den starksten Widerstand. Da sah der Richter hin und rief: Stille, stille! Satan, fort, stille! und zwar klingen diese Worte im Französischen folgendermaßen: Paix, paix, Satan, allez, paix. Ich, der ich die französische Sprache sehr wohl gelernt hatte, erinnerte mich bei diesem Spruche eines Ausdrucks, welchen Dante gebraucht, als er mit Virgil, seinem Meister, in die Tore der Hölle tritt; und ich verstand nun den dunkeln Vers; denn Dante war mit Giotto dem Maler in Frankreich und am längsten in Paris gewesen, und wahrscheinlich hat er auch diesen Ort, den man wohl einen Hölle nennen kann, besucht, und hat diesen hier gewöhnlichen Ausdruck, da er gut Französisch verstand, auch in seinem Gedichte angebracht. Nun schien es mir sonderbar, daß man diese Stelle niemals verstanden hat. Wie ihn überhaupt seine Ausleger wohl manches sagen lassen, was er weder gedacht noch geträumt hat". (Aus Johann Wolfgang Goethe, "Übertragungen," nach dem von Karl Maurer revidierten Text. Artemis-Verlags-AG, Zürich 1964, Gedenkausgabe Band 15, Seite 716 ff.).

Aus
Deutsche Sagen
Herausgegeben von den Brüdern Grimm
Zweiter Theil
Berlin
in der Nicolaischen Buchhandlung 1818

König Carl sieht seine Vorfahren in der Hölle und im Paradies.

(Siehe Streckfuß Einleitung, Erläuterung 17)
     König Carl (der dicke), als er auf Weihnachten nach der Mette früh morgens ruhen wollte, und fast schlummerte, vernahm eine schreckliche Stimme, die zu ihm sprach: "Carl, jetzt soll dein Geist aus deinem Leibe gehen, das Gericht des Herrn zu schauen, und dann wieder zurückkehren!" Und alsobald wurde sein Geist entzückt, und der ihn wegzuckte, war ein ganz weißes Wesen, welches einen leuchtenden Faden, ähnlich dem fallender Sterne, hielt und sagte: "Fasse das Ende dieses Fadens, binde ihn fest an den Daumen deiner rechten Hand, ich will dich daran führen zu dem Ort der höllischen Pein." Nach diesen Worten schritt es vor ihm her, indem es den Faden von dem leuchtenden Knäuel abwickelte, und leitete ihn durch tiefe Thäler voll feuriger Brunnen; in diesen Brunnen war Schwefel, Pech, Blei und Wachs. Er erblickte darin die Bischöfe und Geistlichen aus der Zeit seines Vater und seiner Ahnen; Carl fragte furchtsam: "warum sie also leiden müßten?" "Weil wir - sprachen sie - Krieg und Zwietracht unter dei Fürsten streuten, statt sie zum Frieden zu mahnen." Während sie noch redeten, flogen schwarze Teufel auf glühenden Haken heran, die sich sehr mühten, den Faden, woran sich der König hielt, zu ihnen zu ziehen; allein sie vermochten nicht, seiner großen Klarheit wegen, und fuhren davor zurück. Darauf kamen sie von hinten, und wollten Carl mit langen Haken ziehen und fallen machen; allein der, welcher ihn führte, warf ihm den Faden doppelt um die Schulter, und hielt ihn stark zurück.
     Hierauf bestiegen sie hohe Berge, zu deren Füßen glühende Flüsse und Seen lagen. In diese fand er die Seelen der Leute seines Vaters, seiner Vorfahren und Brüder bis zu den Haupthaaren, einige bis zum Kinn, andere bis zum Nabel getaucht. Sie huben an ihm entgegen zu schreien, und heulten: "Carl, Carl, weil wir Mordthaten begingen, Krieg und Raub, müssen wir in diesen Qualen bleiben!" Und hinter ihm jammerten andre; da wandte er sich um, und sah an den Ufern des Flusses Eisenöfen, voll Drachen und Schlangen, in denen er andere bekannte Fürsten leiden sah. Einer der Drachen flog herzu, und wollte ihn schlingen: aber sein Führer wand ihm den dritten Schleif des Fadens um die Schulter.
     Nächstdem gelangten sie in ein ungeheur großes Thal, welches auf der einen Seite licht, auf der andern dunkel war. In der dunkeln lagen einige Könige, seine Vorfahren, in schrecklichen Peinen; und am Lichte, das der Faden warf, erkannte Carl in einem Faß, mit siedendem Wasser, seinen eigenen Vater, König Ludwig, der ihn kläglich ermahnte, und ihm links zwei gleiche Kufen zeigte, die ihm selber zubereitet wären, wenn er nicht Buße für seine Sünden thun würde. Da erschrack er heftig, der Führer aber brachte ihn auf die lichte Seite des Thals; da sah Carl seinen Oheim Lothar sitzen auf einem großen Edelstein, andere Könige um ihn her, gekrönt und in Wonnen; die ermahnten ihn, und verkündigten, daß sein Reich nicht mehr lange dauern werde; aber es solle fallen an Ludwig, Lothars Tochtersohn. Und indem sah Carl dieses Kind, Ludwig, da stehen. Lothar, sein Ahnherr sprach: "hier ist Ludwig, das unschuldige Kind, dem übergib jetzo deines Reiches Gewalt durch den Faden, den du in deiner Hand hältst." Da wand Carl den Faden vom Daumen, und übergab dem Kind das Reich; augenblicklich knäuelte sich der Faden, glänzend wie ein Strahl der Sonne, in des Kindes Hand.
     Hierauf kehrte Carls Geist in den Leib zurück, ganz müde und abgearbeitet.

 

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